Strategiespiele gehören zu den ältesten und erfolgreichsten Computerspielformen, sind aber bisher wissenschaftlich noch kaum erforscht. Der Diskurs des Strategischen, der sich in diesen Spielen materialisiert, ist offenbar eng verknüpft mit außerspielischen Strategiediskursen, speziell im betriebswirtschaftlichen und militärischen Bereich. Das Projekt will einen Beitrag zur medien- und kulturwissenschaftlichen Fundierung der Analyse von Strategiespielen leisten und in einer materialorientierten Studie tragfähige methodische Werkzeuge und Modelle entwickeln, um die bedeutungstragenden Strukturen in Computerstrategiespielen untersuchen zu können. An Ansätze der Diskursanalyse anknüpfend, sollen Computerstrategiespiele dabei als Interdiskurse konzeptionalisiert werden, deren Verschränkung mit spezialdiskursivem Wissen einen wesentlichen Bestandteil für die Konstitution ihrer Sinndimension darstellt. Die konkrete Analyse einzelner Spiele wirddie Funktion von Darstellungsweisen, Handlungsformen und deren medialer Implementierung fokussieren und mit außerspielischen Kontexten in Relation setzen. So soll es möglich werden, Strategiespiele in ihrer medienspezifischen Funktionsweise und spezifischen kontextuellen Bedeutungsproduktion zu verstehen.Ziel des Projekts insgesamt ist es, nicht nur einen neuen Gegenstand für die Medienwissenschaft zu erschließen, sondern darüber hinaus einen Beitrag zur Profilierung einer medien- und kulturwissenschaftlich orientierten Computerspielforschung zu leisten.
Mit dem Fokus des Projekts auf Strategiespiele wird aus Sicht der Computerspielforschung ein noch weitgehend unbearbeiteter Forschungsbereich angegangen. Obwohl Strategiespiele in einigen vereinzelten Aufsätzen thematisiert werden, gibt es zur kultur- und medienwissenschaftlichen Einordnung, Beschreibung und Analyse dieses Spielgenres bisher noch keine umfassenden Modelle, Methoden oder zusammenhängende Untersuchungen. Daher versteht sich das Projekt »Strategie Spielen« auch als ein Grundlagenforschungsprojekt. Ziel des Projekts ist die Erschließung von Computerstrategiespielen für die medienwissenschaftliche Forschung. Forschungspolitisch soll damit ein Beitrag zur Qualifizierung der Game Studies in Deutschland geleistet werden. Die zu erwartenden Ergebnisse des Projekts sollen einen Beitrag zur methodischen Fundierung der Game Studies liefern. Darüber hinaus werden Erkenntnisse über die konstitutive Verschränkung des Strategischen in Computerspielen mit außerspielischen Wissensformationen und Spezialdiskursen erwartet.
Lesen sie hier mehr zu den Zielen und dem Forschungsprogramm des Projekts:
Der Begriff der Strategie stammt aus dem Griechischen und bedeutet Heeresführung. Ein Stratege war im antiken Griechenland ein gewählter Heerführer (stratos = Heer, agein = führen). Strategie bedeutet soviel wie ein systematisches Vorgehen, einen langfristigen Plan, im Gegensatz zur kurzfristigen Taktik als Teil einer Strategie.
Strategie ist also im weiteren Sinne als eine Form der Handlungssteuerung zu verstehen. Strategie steht im Zusammenhang mit zielorientiertem, auf ›Gewinnsituationen‹ hergestellten Situationen, in denen das Subjekt im Rahmen sozialer und diskursiver Parameter versucht sich mit vorgegebenen oder selbstgesetzten Zielwerten gegen sich oder andere in einen Wettbewerbscharakter zu versetzen.
Die ökonomische Spieltheorie (bspw. von John von Neumann) untersucht die Regelungsbedingungen des Spielerischen (als eine Form der Gesamtheit aller Regeln und der Instantiierung und Aufrufung der Regeln im einzelnen Zug des Spiels) als ein strikt rationales und materielles Unterfangen. Diese Form der Spieltheorie verweist auch darauf, dass strategisches Spielen ein Regelungsmechanismus hegemonialer, politischer, (waren-)ökonomischer und handlungsrationaler Steuerungsmechanismen ist.
Strategisches Handeln ist (demzufolge) ›lernbar‹, ist eine Qualifikationspraxis. Im Rahmen kulturellen Handelns ist Probehandeln eine Möglichkeit des Lernens. Für das Strategische hat sich nunmehr eine Form des Probehandelns etabliert, die eng an das Spielerische gebunden ist. Das Spiel ist ein kulturkonstitutives Handeln, das über die unmittelbaren Formen des ›über-Lebens‹ hinausgeht. »Das Spiel als solches geht über die Grenzen rein biologischer oder doch rein physischer Betätigung hinaus. Es ist eine sinnvolle Funktion. Im Spiel ›spielt‹ etwas mit, was über den unmittelbaren Drang nach Lebensbehauptung hinausgeht und in die Lebensbetätigung einen Sinn hineinlegt« (Johan Huizinga).
Medien wiederum bilden eine archetypische Form des Probehandelns, des (zunächst) ›konsequenzenfreien‹ Agierens mit Diskursen, Symbolen, Systemen und Subjekten. In dem Zusammengehen von Strategie, Probehandeln und Medium im Ludischen entsteht ein Handlungsfeld, in dem sich eine Formation des Strategischen materialisiert, dessen Analyse nicht nur Aufschlüsse über Spiel und Strategie selbst ermöglicht, sondern in einem Überschuss auch über Medien, Gesellschaftsformen und dominante Regelungssysteme Aufschlüsse verspricht.
Hier koppelt auch das Feld des Projektiven an: Eine wichtige Dimension von Strategiespielen ist das möglichst komplexe Vorentwerfen von Handlungskonsequenzen in unterschiedlichen, möglichen Alternativen: die Vorausberechnung bzw. der Versuch der Steuerung dessen, was der Gegner als nächstes tut. Dazu gehört nicht nur Kenntnis der Regeln, sondern es handelt sich auch um differenzierte Vorvollzüge von Kommunikation. Es ist die Figur »den Gegner mitzudenken«, sich sozusagen in das Gegenüber insofern strategisch einzufühlen, als aus Einschätzung, Empathie und Handlungsprognostik eine projektive Operationalisierung des Anderen vorgenommen werden muss. Interessant ist diese Funktionalität des strategischen Spiels aber sicherlich, wenn dieses Gegenüber durch den Rechner selbst hergestellt wird.
Mit dem Aufkommen von Computerspielen (eng gebunden an die Etablierung des Computers als Technik und in einem zweiten Schritt als gesellschaftliche Leittechnologie) fasst das Probehandeln des Strategischen auch dort Fuß. Im codebasierten Computerspiel scheint zunächst nur das strikt regelgerechte, der Codevorgabe angepasste Handeln zur Siegbedingung zu führen. Zu untersuchen wäre aber, inwieweit mit beispielsweise dem ›Gegenbegriff‹ des Taktischen hier Möglichkeiten alternativer Handlungspraxen aufgefunden werden können.