In Bezug auf die heute populären Computerspiele muss an dieser Stelle kaum ausgeführt werden, dass diese sich zu großen Teilen sehr eng und deutlich in die archäologische Linie des Strategischen im Spiel eingliedern. Ein computergestütztes Strategiespiel ist eine mediale Form, deren Bewältigung vor allem strategisches (aber auch taktisches) Geschick erfordert. Dabei übernimmt der Computer entweder die Rolle eines Gegenspielers oder er bietet eine Plattform, auf der mehrere Spieler mit- bzw. gegeneinander spielen können.
Man unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Arten von Computer-Strategiespielen: Rundenbasierte Strategiespiele und Echtzeit-Strategiespiele. In rundenbasierten Strategiespielen führen die Spieler ihre Züge in einzelnen Runden nacheinander aus, ähnlich wie zum Beisiel beim Schach. Da die Spieler nicht unter Zeitdruck stehen, ist eine genauere Planung der Aktionen möglich. Deswegen sind rundenbasierte Strategiespiele meist komplexer als Echtzeit-Strategiespiele und decken oft auch Aspekte wie Diplomatie, Ökonomie, Urbanistik, Evolution, Exploration oder Politik ab.
Die eigentlichen Konflikt-Aspekte treten oft in den Hintergrund und werden weitaus abstrakter dargestellt als in Echtzeit-Strategiespielen. Die Palette reicht dabei von Spielen auf taktischer Ebene (wie beispielsweise Panzer General oder die Battle Isle-Reihe) über ›globale‹ Spiele, in denen man eine Nation evolutioniert, entwickelt und führt (wie die Civilization-Reihe, Ages of Empire, SimCity, etc.). Verbreitet sind Multiplayerfunktionen, um gegen andere menschliche Spieler antreten zu können. Dabei stehen inzwischen natürlich LAN- und Internet-Funktionen an erster Stelle. Doch gerade durch die Rundenbezogenheit ermöglichen rundenbasierte Strategiespiele auch andere Spielfunktionen wie hotseat oder E-Mail-Spiele. Echtzeit-Strategiespiele sind demgegenüber Strategiespiele, bei denen alle Spieler ihre Handlungen gleichzeitig ausführen.
Deshalb reduzieren Echtzeit-Strategiespiele die Komplexität von Spielabläufen und stellen das schnelle Reagieren und strategische Planen unter Zeitdruck in den Vordergrund. Mit den wachsenden technischen Möglichkeiten überflügelten die Echtzeit-Strategiespiele die rundenbasierten im kommerziellen Erfolg.
Auf struktureller und funktionaler Ebene ist das Differenzkriterium zwischen computergestützten und ›materiellen‹ Spiel damit zu benennen, dass sie in höherem Maße reaktiv und echtzeitbasiert agieren als ihr ›Vorgänger‹, dass ihre narrative (wie auch gestalterische) Oberflächenstruktur weitaus stärker an das zugrunde liegende Technoid angekoppelt ist und dass sie in weitaus weniger hohem Maß eine Variabilität des Regelsets unterliegen. Zu unterscheiden wären weiterhin Spielformen, die eher als ›Medienwechsel‹ zu verstehen wären (also Spielformen, die bereits als Brettspiel o. ä. vorhanden waren), und Spiele, die sich genuiner Formen und Möglichkeiten des Mediums anpassen (also bspw. first- und third person shooter, avatarbasierte Spiele). Dazu kommen noch die Möglichkeiten und Spezifika der netzbasierten Spiele (Massive Multiplayer Online Games), die die Idee der Multiplayerspiele quantitativ wie qualitativ übersteigern.
Es ist vorrangig der codebasierte, technisch (rück)gekoppelte und hochgradig distinkte Codecharakter der Computerspiele, der wesentliche Effekte innerhalb der Konturierung des strategischen Dispositivs innerhalb der Spiele beeinflussen sollte. Ebenso müssten die immersiven Effekte des Medienhandelns und die quantitativen Möglichkeiten des technischen Mediums untersucht werden, um die genauen Formen, Funktionen und Strukturen des Strategischen im Computerspiel zu erfassen.
Warum ist der Computer scheinbar ›wie gemacht‹ für das strategische Spiel? Wie schlägt das Medium, das so regelrational und algorithmisierend zu funktionieren scheint, auf die Spiele selbst durch? Wie prägt es ihre visuelle Oberfläche, ihre internen Mechanismen, aber auch ihre strategischen Optionen und praktische Spielbarkeit? Was ist ›das‹ Strategische, das sich spezifisch in der Struktur und Verwendung des Computers als ›Medium‹ realisiert?
Hinsichtlich medienspezifischer Transformationen, Hybridisierungen oder Remedialisierungen des Strategischen scheint der Vergleich von historischen Kriegsbrettspielen und Table-Top-Spielen mit computerbasierten Strategiespielen hilfreich, um ein charakteristisches Differenzmerkmal der computergestützten Spielvarianten zu verdeutlichen. Letztere unterscheiden sich ästhetisch von Brettspielen grundlegend durch die Akzentuierung des Interfaces als Mittel der Darstellung, Aufarbeitung und Manipulation von spielrelevanten Daten. Diese Unterschiede herauszuarbeiten und zu untersuchen, mit welchen visuellen Codes und ästhetischen Konventionen das Informationsmanagement in computerbasierten Strategiespielen erfolgt und wie dem Spieler Zugriff auf verschiedene Informationsebenen gewährt wird, ist ein wichtiges Anliegen des Forschungsprojekts.
Zu berücksichtigen sind insbesondere auch diejenigen Spielformen, bei denen der Computer als Gegner fungiert. Hier vollzieht der Computer nicht nur die Regeln des Spiels als Code, sondern dient darüber hinaus als ›Stellvertreter‹ und Ersatz eines menschlichen Gegners.
Spieler reflektieren diese mediale Verankerung und Performanz der Regeln und bauen darauf ihr eigenes strategisches Handeln auf. Indem die menschlichen Akteure die ›Logik der Maschine‹ und die Funktionsweise der verwendeten Algorithmen abzuschätzen versuchen vollzieht sich ihr Spiel nicht nur in einem Rahmen von Spielregeln, sondern beinhaltet zudem spielerische Strategien, die sich auf die Regeln des Codes bzw. die Funktionalität der technischen Ordnung von Apparat und Programm beziehen. Damit stellt sich aber angesichts der hohen ›Kompatibilität‹ von strategischem Regelwissen und der strikten Regeldeterminierheit des Computers die Frage: Wo Endet das Medium und wo fängt das Spiel an?